Unsere Story

Eine Frau als Nachfolgerin?

Frederike Albers mit recycelter Daunendecke

Ok. Die Entscheidung ist gefallen. Ich möchte mich nach meinem Studium wirklich selbstständig machen. Ne, so ganz stimmt das nicht. Richtig ist: Ich möchte das alte Familienunternehmen meines Vaters übernehmen – eine Vorstellung, die ich so nie für möglich gehalten habe.

Wenn ich ehrlich bin, war es ein sehr spontaner Gedanke, der mir aber einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Niemals hätte ich gedacht, dass es soweit kommt. Nach all den Dingen, die mein Vater mir und meinen Brüdern über die Entwicklung der Daunenindustrie erzählte, ist es so, als wäre fluuf (ehemals snuuz) die Rettung unserer Familiengeschichte, die Rettung unserer Mitarbeiter und damit auch die Rettung unseres gesamten Unternehmens.

Aber mal ganz von vorne. Schließlich musste ich mir einige Fragen stellen, bevor ich diese Entscheidung treffen konnte: Was muss man beachten, wenn man das Geschäft des Vaters übernehmen möchte? Welche Vorraussetzungen brauche ich als Nachfolgerin? Wie gehe ich mit den Mitarbeitern um? Wird es Streit geben? Welche Vorteile gibt es? Macht es nicht vielleicht mehr Sinn neu zu gründen?

Ich hatte wirklich so viele Fragen, die mir nicht wirklich jemand beantworten konnte. Trotzdem war mein Gefühl sehr positiv, wenn ich an diese Geschäftsübernahme dachte. So kam es dann, dass ich im Sommer 2018 sagte: „Ja, ich werde unser Familienunternehmen übernehmen!“.

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Die Statistiken

Zunächst einmal aber mal ein paar Zahlen. Momentan ist in Deutschland der Anteil der Familienunternehmen noch sehr groß. Rund 90% aller Unternehmen in Deutschland sind „familienkontrollierte Unternehmen“ (1). Leider ist aber in vielen Studien schon davon die Rede, dass der demographische Wandel die Nachfolge bei vielen dieser Familienunternehmen sehr erschweren wird (2).‍

Der Begriff „Nachfolgewelle“ nimmt langsam Form an. So werden uns laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in den kommenden fünf Jahren mehr als eine halbe Million Unternehmensübergaben bevorstehen (3).

Frauen als Nachfolgerinnen

Man könnte jetzt meinen, dass wir im Jahr 2019 leben und Frauen bei solchen Nachfolgelösungen genauso in Betracht gezogen werden wie Männer. Die Realität sieht aber leider etwas anders aus. Wir Frauen wissen doch, dass wir auch heute noch um Gleichberechtigung kämpfen müssen – und genau das gilt auch für die Unternehmensnachfolge.

Töchter sind in der Nachfolgelösung vieler Familienunternehmen nur die "zweite Wahl" (5).

Denn obwohl die Zahl der Unternehmensnachfolgerinnen stetig steigt (4), sind diese Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit nur die „zweite Wahl“ in der Nachfolgelösung. So gilt besonders in klein - oder mittelständischen Familienunternehmen immer noch die Regel des „erstgeborenen Sohnes“. Die Unternehmer-Väter, die dieses Denken z.T. noch vertreten, scheinen also eine Tochter nur dann als vollwertige Kandidatin zu betrachten, wenn die „erste Wahl“, der Sohn, als Nachfolger wegfällt (5). Ganz nach dem Motto: „Na gut, dann muss es also doch die Tochter machen.“

Wie war es bei mir?

Bei meinem Vater war das zum Glück nie so. Er ist nämlich lange von einem noch schlimmeren Szenario ausgegangen. Er hat damit gerechnet, die Fabrik zu schließen. In unserer Familie wurde zwar immer mal wieder die Frage gestellt, wer von uns drei Kindern denn „Lust hätte“ den Betrieb zu übernehmen. Nur es wurde im gleichen Atemzug auch direkt davon abgeraten. So gesehen, war unsere Nachfolgelösung eher eine Art „Rettungslösung“. Meine Brüder wollten nicht übernehmen, ich schon. So war für uns die Sache klar: Frederike wird’s machen.

 

Frauen in der Daunenbranche

Dennoch sehe ich , dass besonders in der Daunenbranche Frauen eher eine untergeordnete Rolle spielen. In den einflussreichsten Unternehmen sitzen meiner Erfahrung nach ausschließlich Männer im Chefsessel. Ist das Gleichberechtigung, wenn Frauen in dieser Industrie kaum das Sagen haben? – Wohl kaum.

Umso erstaunter war die Reaktion von vielen, als sie hörten, dass ich, eine Frau, das Geschäft meines Vaters übernehmen will. „Und was ist mit deinen Brüdern? Wollen die nicht?“ kam dann oft als Gegenfrage. So, als hätten meine Eltern da etwas ganz wichtiges vergessen. Viel krasser fand ich aber die Reaktion eines Geschäftsmannes, der mir doch tatsächlich deutlich machen wollte, dass ich, als Beispiel aller Frauen, den Männern die Jobs wegnehmen würde. Diese Aussage konnte ich selbst kaum fassen – ist aber leider pure Realität.

Um ehrlich zu sein, spornen mich solche Aussagen nur noch mehr an. Denn es bedeutet, dass noch viel zu machen ist und irgendwer mal den Anfang wagen muss, um Veränderungen voranzutreiben. Außerdem muss ich keine Antworten auf all diese Fragen finden, die ich in meinem Kopf hatte. Was ich muss, ist meinen eigenen Beitrag für mehr Gleichberechtigung zu leisten. Und wenn dieser Beitrag das Umdenken in der Daunenindustrie und in Familienunternehmen bedeutet, bin ich mehr als bereit loszulegen!

Quellen

1.) Stiftung Familienunternehmen. Daten, Fakten, Zahlen zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Familienunternehmen (November 2019), URL: https://www.familienunternehmen.de/de/daten-fakten-zahlen (Stand: 21.11.2019)

2.)  Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. Unternehmensnachfolge 2018 – Große Herausforderungen, aber auch Lichtblicke (Dezember 2018), URL: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/%C3%9Cbergabe-Nachfolge/DIHK_Report-Unternehmensnachfolge-2018.pdf (Stand: 21.11.2019)

3.)  Dr. Michael Schwatz, Kreditanstalt für Wiederaufbau. Generationenwechsel im Mittelstand: Bis 2019 werden 240.000 Nachfolger gesucht (23. Januar 2018), URL: https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-2018/Fokus-Nr.-197-Januar-2018-Generationenwechsel.pdf (Stand: 21.11.2019)

4.)  Deutscher Industrie - und Handelskammertag e.V.. Unternehmensnachfolge 2018 – Große Herausforderungen, aber auch Lichtblicke (Dezember 2018), URL: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/%C3%9Cbergabe-Nachfolge/DIHK_Report-Unternehmensnachfolge-2018.pdf (Stand: 26.11.2019)

5.)  Fachhochschule des Mittelstands (FHM). Gründerinnen im Handwerk – Analyse von Strukturen und Potenzialen von Existenzgründungen durch Frauen im Handwerk (2009), URL: https://www.fh-mittelstand.de/fileadmin/pdf/Publikationen/Studie_Gruenderinnen_im_Handwerk_2009.pdf (Stand: 26.11.2019)

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